Auf einen Tajut nach Udine
© Nicole Richter
Der Agriturismo „Frasca Pozzar“ mitten in der Stadt: neuer „Originalschauplatz“ in Udine-Zentrum mit Tajut um 1 Euro.
Urbanes Feeling mit ursprünglichem Charakter? Das findet sich auf einmalige Weise in einer der reizvollsten Altstädte des Alpen-Adria-Raums – in Udine. Die Hunderttausend-Einwohner-Stadt ist ideal, um absichtslos draufloszustreunen. Wer die Augen offenhält, wird ohnehin gleich angelockt: Von der Tradition des Tajut, die hier fest verankert ist: Zur Aperitivo-Zeit, also wochentags nach der Arbeit bzw. vor dem Abendessen oder samstags mittags auch vor dem Pranzo, trifft man sich bei einem geselligen Glas Wein.
Wer will hier schon widerstehen? Die köstlichen Tartine im „Al Cappello“ sind die ideale „Unterlage“.
Der Wein als Treffpunkt
Im „Original“ ist das ein Weißer oder Roter vom offenen Hauswein. Der Name Tajut lässt sich nicht seriös zurückverfolgen, ist aber das friulanische Wort für taglio (Schnitt). Manche sagen, er kommt vom „Strich“ auf dem Weinglas, andere vom „Verschnitt“ aus einfachem mit besserem Wein. Das Ritual schließt meist ein paar Stuzzichini, appetitanregende Häppchen (häufig vom Wirt offeriert), mit ein. Und gelebt wird es in Friaul-Julisch Venetien eben nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt.
Im „Da Michele“ gibt es stets wechselnde Highlights an edlen Tropfen.
Neues mit Tradition
Eine ganze Reihe traditioneller Osterie sind Ankerpunkte der beliebten Tradition. Vor Kurzem hat der erste Agriturismo, ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Gastronomie, eröffnet, der seinen Ausschank mitten in der Altstadt hat: Gleich in der Nähe der Universität, auf der Piazzetta Antonini, gibt es in der Frasca Pozzar den Tajut um 1 Euro, dazu Brötchen (Tartine), friulanischen Aufschnitt (Affettati misti), die urtypischen hartgekochten Eier, saures Eingelegtes und vieles mehr. Die Udineser haben diesen neuen Platz der Ursprünglichkeit schnell in ihr Herz geschlossen. Ein ewiger Klassiker in ebenfalls zentraler Lage (Via Bartolini 8) ist die Osteria Pieri Mortadele mit langer Geschichte und humorvollen Wirtsleuten: Berühmt für ihre Riesenmortadella im Lokal und die hervorragenden friulanischen Weine ist sie seit einem halben Jahrhundert Anziehungspunkt für einen unkomplizierten Tajut.
Im „Pieri Mortadele“ geht es immer fröhlich zu: Luca Merlino serviert ein Taj di Blanc und ein Panino di Mortadella.
Von sehenswert bis modern
Vielleicht berühmter als klassische Sehenswürdigkeiten ist das Al Cappello (Via Paolo Sarpi 5) mit den ungezählten Hüten an der Decke als Markenzeichen. Angesiedelt in einem historischen Palazzo bietet diese gastronomische Institution beste regionale, aber auch einige internationale Weine. Dazu: Die legendären farbenfrohen Tartine, welche die nötige Unterlage bieten. Besonders zum Wochenende hin sind die Aperitivo-Hotspots wie Weinbars oder Bierpubs gut besucht. Etwa rund um das „Wohnzimmer“ Udines, die Piazza Matteotti, wo sich eine Bar an die andere reiht. Im Sommer mit gut besuchten Sitzgärten auch mitten auf dem Platz. Zwei Mal ums Eck geht man zum Leon d’Oro (Via dei Rizzani 2), einem der Lieblingslokale der Einheimischen. Dort gibt es eine beachtliche nationale und internationale Weinauswahl, Champagner, Bier – und ganz klar: Spritz Aperol! In der warmen Jahreszeit herrscht vor dem Lokal ordentlicher Andrang und es wird geplaudert, gelacht und getrunken. So, wie es uns gefällt!
Die Riesenmortadella bei „Pieri Mortadele“ wird auch gewürfelt serviert.
Gemütlich und genussvoll
Schick-heimelig ist es in der Osteria Da Michele, Via Paolo Sarpi 18/a, wo die Prosciutto-Keulen appetitanregend von der Decke hängen und die übervollen Kreidetafeln Lust auf edle Weine, feine Crostini (knusprig getoastete Brötchen) oder auch einmal Austern machen. Es gibt außerdem raffinierte warme Gerichte. Etwas abseits vom Zentrum ist die Osteria Al Canarino, Via Cussignacco 37. Hier lernen wir den Charme einer der ältesten Gastwirtschaften (aus 1803) kennen. Mitsamt gut sortierten friulanischen Weinen, Stuzzichini und warmer Küche. Prädikat: Echt urig! Wer erst auf den Geschmack gekommen ist, wird den Tajut gleich zur eigenen Tradition werden lassen. Dazu stellt man sich am besten wie die Einheimischen an die Theke – und unterhält sich über Gott und die Welt. Oder über Fußball.
Das „historische“ Canarino ist auch Ersatzwohnzimmer.