Gin: Mehr als nur Wacholder
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Gin Tonic ist in den vergangenen Jahren immer mehr in Mode gekommen.
Gin ist kalorienarm und gilt auch als Detox. So spricht man ihm eine heilende Wirkung auf sehr Vieles zu, „aber bis man so viel Gin getrunken hat, dass es eine Detoxwirkung hat, ist die Leber hinüber“, zeigt sich Gastronom Wolfgang Radda ironisch.
Gin-Experte aus Klagenfurt
Wolfgang „Picco“ Radda ist ein Gastronom mit Leib und Seele. Seit 25 Jahren führt er mit dem GATES, eine wahre Institution der Klagenfurter Lokalszene. Den Erfolg seiner täglich geöffneten, hochqualitativen Bar verdankt er dabei auch seinen guten Mitarbeiter und den treuen Gästen. „Ich mache meinen Job nach wie vor gerne. Das ist wohl die Grundvoraussetzung dafür, dass man ein guter Gastronom ist“, erzählt Radda. Über die Jahre wurde aus Wolfgang Radda ein wahrer Experte für Gin. „Ich war schon, bevor der Gin so sehr in Mode gekommen ist, bei Sam Carter im englischen Laverstoke. Das dort Erlebte und Gelernte war reine Science-Fiction für Gin Liebhaber“, berichtet der Klagenfurter. Die Seminare von Gin-Papst Sam Carter werden dabei in seinem nicht öffentlich zugänglichen Labor abgehalten. In der Heimat hat sich Radda außerdem einiges bei Valentin Latschen (Pfau Brennerei) und Herbert Müller (Lavanttaler Gin) abgeschaut. Dies hat ihm zum Start mit der beliebten Spirituose sehr gut geholfen. Radda macht inzwischen auch selbst Schulungen, bei denen er die Warenschulung und eine deutsche Partner-Firma die Barschulung macht. Dies dient auch dazu, dass seine „Mitarbeiter beim Gin grundsätzlich gleich sattelfest sein sollten wie ich“, sagt Wolfgang Radda.
Geschmäcker sind verschieden
Gin bietet laut Radda eine derart breite Spielart, dass eine ordentliche Gin-Beratung in seinem Lokal zum guten Ton gehört: „Ich gehe auf die Leute zu und frage nach ihrem Geschmack, also ob sie es z.B. eher süß, herb, fruchtig, sauer mögen. Ebenso frage ich gerne welchen Wein sie gerne trinken. Bei der Auswahl des Gins tut man sich dann schon recht leicht, nur beim Tonic muss man ein wenig aufpassen. Da passt nicht jedes überall dazu. Aber ein Schweppes Dry kannst du grundsätzlich überall dazugeben“, erklärt uns der Kenner ausführlich. „Ich stelle gerade einen Earl-Grey-Infused-Gin her. Den gießen wir dann ebenso mit Dry Tonic auf. Dieses Tonic hat den Vorteil, dass es kaum Zucker, keine Geschmacksverstärker und wenig Kohlensäure hat. So lässt es den Gin umso mehr leben. Ich experimentiere aber auch mit Chai-Latte oder, angelehnt an den Klassiker Caipirinha, mit einem Gin-Pirinha“, betont Gin-Experte Radda.
Aus Mode wird Genuss
„So richtig in Mode gekommen ist der Gin erst vor zwei bis drei Jahren. Ich hatte in Summe 400 Sorten Gins im Durchlauf und aktuell noch immer um die 90 Sorten, die ich aber noch weiter reduzieren möchte“, betont Radda mit Bezug auf die heutigen Zeiten und wirtschaftliche Lage nach der Pandemie. „In Zeiten wie diesen einen derart großen Barstock zu haben macht einfach wenig Sinn“, so der Gastronom weiter. Sein Sortiment umfasst eine große Menge an österreichischem Gin. „Davon ist rund ein Drittel aus der Region, also Kärntner Gin“, betont Radda. Der Rest seiner Produkte ist international. Dies hat auch „mit den Preisen in Österreich zu tun. Ich bin nicht bereit, Unsummen zu zahlen, wenn man für weniger Geld ein besseres Produkt bekommt“, kritisiert Wolfgang Radda die Preisgestaltung einiger heimischer Hersteller. Dass Radda aber trotzdem dem Regionalen und der Nachhaltigkeit verbunden ist, zeigt sich bereits seit Jahren. So betont er stets, „soweit es geht auf Kunststoff zu verzichten und auf Ökostrom aus Österreich sowie Mineralwasser aus Kärnten“ zu setzen.
Präsentation gehört dazu
„Ich arbeite gerne mit schönen Gläsern, Stickstoff und Leuchtstäben. Der Barbesuch und Gin-Genuss soll auch ein optisches Erlebnis sein“, erzählt der Besitzer des GATES. Jeder Gast erhält in seinem Lokal eine Beratung und anschließend den entsprechend Gin Tonic. „Wenn es ihm nicht schmeckt, kann er es gerne retour geben – das passiert aber nie“, sagt Radda. Er führt auch „Basic Gin Tonic“ auf seiner Karte – also simpelster Gin & Tonic mit Eis und Zitrone dazu. „Das ist ein Angebot für jene die einfach nur Gin Tonic trinken wollen. Man muss nicht aus allem ein Theater machen. Es gibt genug Gäste die gerne einen besonderen Gin Tonic trinken, aber nach dem zweiten Besonderen lieber mal einen Basic trinken“, erklärt der Kenner. Das gilt auch beim Tonic: „Die Vielfalt an Tonic die wir führen, so haben wir z.B. ein Yuzu Tonic (japanische Zitronen), Cherry Blossom Tonic (Kirschgeschmack) oder Mediterranean Tonic (mit Einflüssen des Mittelmeeres) verändert alles total. Es verändert das Zusammenspiel zwischen Gin und Tonic komplett. Hinzu kommt der neue Trend mit New Western Gins, wo versucht wird den Walchoder-Anteil durch die Beigabe von Core-Botanicals zurückzudrängen“, erklärt uns der Experte. Er sagt daher auch, dass „es niemanden gibt dem Gin bzw. Gin Tonic nicht schmeckt, die Leute wissen es nur noch nicht“. „Ich gebe jedem Gast der einen neuen Gin Tonic ausprobiert, den Gin auch pur in einem Nosing Glas. So kann man ihn zuerst pur verkosten und dann mit dem Tonic zusammen. So sieht man die Wirkung umso mehr und es kommt zu einer gewissen Wertschätzung für das Produkt“, erklärt der Experte. „Rum und Whiskey wirst du immer pur trinken, einen Tequila auch eher. Aber Gin trinkt man einfach als Gin Tonic. Es kommt also immer auf die Spirituosen drauf an“, so Radda. Er pflanzt im Sommer vor seiner Tür auch selbst Kräuter an und kreiert dann z.B. einen Gin Basil Smash mit Läuterzucker, Zitronensaft und Soda. „Garniert mit abgeflämmtem Rosmarin ist das schon etwas Lässiges, wenn du solche Cocktails regional und saisonal machen kannst“, betont der Barexperte.
Gin aus eigener Produktion
Wolfgang Radda schenkt aber nicht nur aus, er produziert auch. Schon seit rund fünf Jahren vertreibt er mit dem Sunny Side Gin sein eigenes Produkt. „Unser Gin schmeckt intensiv nach Rhabarber und hat eine sehr bittere Note. Es ist kein ausgesprochener Gin mit viel Wacholder und somit bestimmt nicht jedermanns Sache, aber er schmeckt z.B. hervorragend als Basil Gin Smash mit Prosecco als Fill Up. Glauben Sie mir, das ist einzigartiger Traum“, schwärmt der Barbesitzer vom hauseigenen Gin. Sein eigener Favorit ist ein eher wacholderlastiger Gin wie Tanqueray. „Den kannst du auch sehr gut straight nehmen, mit fast jedem Tonic und zum Mixen hinter der Bar als Universalkünstler“, bestätigt der Gastronom.
Singapore Sling: DER Klassiker
Das laut Wolfgang Radda beste Rezept mit Gin ist der Singapore Sling. Unter dem Motto „keep it simple and stupid“, schwört er dabei auf das klassische Rezept von Charles Schumann: „Gin, Läuterzucker, Zitronensaft, mit Soda floaten und einen Dash Cherry Brandy hinzu. Für mich der beste Signature Drink für jede Bar auf der Welt. Wenn den jemand wirklich gut kann, dann weiß ich, der kann alles und hat ein gutes Händchen für Spirituosen“, schwärmt Radda abschließend.